Unser Anliegen

Die Aneignung einer Nationalsprache als Zweitsprache findet in einem bestimmten migrationspolitischen Rahmen statt. Innerhalb dieses Rahmens hat das Erlernen der hegemonialen Sprache eines Nationalstaates immer zwei Seiten. Einerseits trägt es zu einer Stärkung und Erweiterung von Teilhabe bei, andererseits gehen mit dem gesamten System der "Deutschvermittlung" bzw. "Zweitsprachvermittlung" Sanktionen, Ausgrenzungen und Diskriminierungen einher. Die Vermittlung der hegemonialen Sprache innerhalb eines Nationalstaats ist damit immer auch mit ausgrenzenden Migrationspolitiken und -diskursen verwoben. Ein zentrales Ziel unseres Vereins besteht deshalb darin, ein Nachdenken über dieses Spannungsverhältnis zwischen ermächtigender Zweitsprachvermittlung und Involviertheit ebendieser Sprachvermittlung in ausgrenzende Politiken und Diskurse anzuregen. Basierend darauf erarbeiten wir theoretische und praxisbezogene forschungsbasierte Analysen und Publikationen, die einen Beitrag dazu leisten, dass die Vermittlung von hegemonialen Zweitsprachen in migrationsgesellschaftlichen Kontexten auf eine Art und Weise didaktisch und pädagogisch gestaltet wird, dass weniger Ausgrenzung in und außerhalb der Lernangebote geschieht. Denk- und Handlungsleitend ist für uns dabei die "migrationspädagogische Perspektive", wie sie 2004 von Paul Mecheril angestoßen und in Folge von vielen Kolleg_innen weiterentwickelt wurde und wird.

"Migrationspädagogik" verstehen wir als einen Blickwinkel, durch den macht- und hegemoniekritische Fragen und Analysen in pädagogischen Zusammenhängen – und damit auch in Zweitsprachvermittlungskontexten – ermöglicht werden. Wir fokussieren dabei auf den gesamten komplexen Zusammenhang und heben darin nicht nur einzelne Aspekte, wie die der "Kultur" heraus. Vielmehr beziehen wir unterschiedliche in diesem Zusammenhang bedeutsame Differenzen (wie Rassismuserfahrungen, sozio-ökonomische Bedingungen und vor allem Sprache) in unsere Analysen ein. Damit begeben wir uns auf eine gemeinsame Suche nach pädagogischen und didaktischen Handlungs-, Erfahrungs- und Denkformen, die weniger Macht über Zweitsprachlernende der Migrationsgesellschaft ausüben und entwickeln Strategien, um sie in der pädagogischen Praxis umzusetzen. Diese Auseinandersetzung ist eine (selbst-)kritische, in der Sprache sowohl als Kommunikationsmittel als auch als Differenzmerkmal gedacht wird, mit dem die Lernenden hierarchisch angeordneten sozialen Gruppen zugeordnet werden. Die Art der Kritik, die den migrationspädagogischen Ansatz kennzeichnet, hängt mit einer ständigen Beobachtung der migrationsgesellschaftlichen Entwicklungen und der Involviertheit der Zweitsprachlichkeit darin zusammen: Wir gehen davon aus, dass unsere Arbeit von langfristigen Prozessen gekennzeichnet ist, da es nicht leicht ist und nicht schnell gelingen kann, strukturelle Ungleichheitsverhältnisse in einer Gesellschaft zu verändern und wir nur ein kleines Rädchen im System darstellen. Dennoch ist ein grundlegendes Nachdenken über und ein beständiges Arbeiten an weniger gewaltvollen Verhältnissen notwendig, denn wir gehen davon aus, dass jeder Beitrag, der dazu dient, dass die Zweitsprachlernenden sich in weniger ausgrenzenden Zusammenhängen erleben können, sinn- und wertvoll ist.

Wir möchten die migrationspädagogische Perspektive stärker auf den Zusammenhang der Zweitsprachvermittlung und des Zweitsprachlernens adaptieren, sie darin genauer konturieren, Vorschläge ihrer Weiterentwicklung diskutieren und uns selbstkritisch befragen. Dabei beziehen wir uns auf Forschung, Lehre und die Praxis des (Zweitsprach-)Unterrichts. Wir gehen zwar in erster Linie von der Didaktik des Deutschen als Zweitsprache aus, haben aber eine internationale Ausrichtung und führen im Rahmen der Vereinsarbeit einen internationalen Austausch zur Zweitsprachdidaktik unter der Perspektive der Migrationspädagogik. Wir interessieren uns also auch für die Zweitsprachdidaktiken, wie sie in weiteren Migrationsgesellschaften bzw. nationalstaatlichen Kontexten, wie z.B. in Schweden, Großbritannien oder der Türkei bearbeitet werden. "Didaktik" verstehen wir dabei stets als eng verschränkt mit "Pädagogik".

Der Kontakt zwischen Theorie und Praxis ist uns ein großes Anliegen. Wir verstehen unseren Verein daher als Ort der Zusammenarbeit von Hochschule, Schule, Elementarbereich, außerschulischer Kinder- und Jugendarbeit sowie der Erwachsenenbildung.

Als Organ unserer Auseinandersetzungen geben wir im Anschluss an unsere Jahrestagungen die peer reviewte internationale Zeitschrift zur "Migrationspädagogischen Zweitsprachdidaktik" heraus.